Pfersee vor 100 Jahren
1900 ist der Ort zwar noch eine eigenständige Gemeinde, aber schon lange kein Dorf mehr – die Industrie bestimmt das Ortsbild. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich auf den bis dahin freien Flächen zwischen Stadt und Dorf eine Reihe großer Fabriken angesiedelt, wie die Textilfirmen Schnell (später Dierig), Bemberg, Spinnerei und Weberei Pfersee, die Chemische Fabrik oder die Laubsägenfabrik Eberle – die einzige, die heute noch existiert. 1894 ist die Lokalbahnverbindung Göggingen-Pfersee fertig. Bettlersteg heißt im Volksmund der Verbindungssteg an der Eisenbahnbrücke nach Göggingen. Ein "ehrbarer" Gögginger hatte sich nämlich mit dem Argument, er wolle das Bettelvolk von Pfersee nicht so schnell in seiner Gemeinde haben, gegen die Brücke gewehrt. (A. Müller)
Seit 1898 verkehrt eine elektrische Straßenbahn (vorher Pferdebahn) – schon im 5-Minuten-Takt.
Für die Beschäftigten der Fabriken sind ganze Straßenzüge mit Arbeiterquartieren entstanden. Im alten Ortszentrum um die Michaelskirche und entlang der Stadtberger und Leitershofer Straße existieren noch etliche landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe. Das eigentliche Zentrum ist aber nun die Augsburger Straße mit repräsentativen Bauten für Geschäfte, Häuser der Honoratioren, der Post und der Herz- Jesu-Kirche.
Die Bevölkerungszahl ist rasant gewachsen. Hatte Pfersee 1860 noch 700 Einwohner, waren es 1905 bereits 7.500.
Da die Gemeinde erhebliche Probleme hat, eine erforderliche Infrastruktur in kürzester Zeit zu bewerkstelligen - vor allem die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung sind drängende Probleme – wird schließlich die Anbindung an die Stadt angestrebt. Bei den Feierlichkeiten zur Eingemeindung 1911 erhalten die Schulkinder eine Festmedaille, ein Paar Würste, ein Salzkipferl und eine Tafel Schokolade.
Der rasante Bevölkerungszuwachs führt zu einer völligen Umstrukturierung des sozialen Gefüges, die ursprüngliche dörfliche Bevölkerung wird zur Minderheit gegenüber den Arbeitern aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands und aus dem Ausland. Die alten dörflichen Strukturen, Sitten und Bräuche sind fast verschwunden.


Dr. R. Weggel
K. Blöchl


Pfersee wird vielfach
"Pfearsche" ausgesprochen.
Auf allen Straßen tönt aus der spielenden Kinderschar
"Du Täpp!"
Von einer eigenen Mundart ist nichts mehr zu hören: Schwäbische, bayerische, fränkische, pfälzerische und norddeutsche Idiome tönen durcheinander.
A. Müller 1908